Story Forfait-Niederlage vs. Urania

Aus Geldmangel konnte der FCZ im April 1934 nicht nach Genf ans Auswärtsspiel reisen.

 

Sport, 18.4.1934, S. 6

Das unerfreulichste Faktum des Sonntags war

die Forfait-Niederlage Zürichs gegen Urania.

Zürich, einer der ältesten Clubs des Landes und einer verdientesten überdies, ist heute in einer wahrhaft traurigen Lage. Der Verein steht vor dem Bankrott. Es hat ihm im richtigen Moment an der klugen, bedachtsamen und geschäftlich erfahrenen Führung gefehlt und da zwischendurch Dilettanten die Clubgeschäfte leiteten, ist der grosse und hochangesehene Verein in den Strudel gekommen und heute in Gefahr, darin umzukommen. Das Schicksal des F.C. Zürich wirft einige akute juristische Fragen auf. Unsere Vereine unterliegen ihren Verbandsgesetzen und darüber hinaus dem Vereinsrecht, also dem Obligationenrecht im weiteren Sinne. Das war gut und richtig solange, als sie nichts anderes als gemeinnützige Gesellschaften waren, die in der Ertüchtigung der Jugend ihr einziges und vornehmstes Ziel erkannten. Heute sind die meisten Vereine Erwerbsgesellschaften mit einem Umsatz, der Fr. 10,000.– weit überschreitet. Sie wären also nach Recht und Gesetz zur Eintragung im Handelsregister verpflichtet und allen Folgen unterstellt, die sich aus dieser Eintragung ergeben. Als Sachwalter des F.C. Zürich fungiert ein bekannter Fussballer der alten Garde, Dr. Bolliger vom einstigen F.C. Neumünster, der auch schon der Rekursbehörde des S.F.A.V. angehört hat. Man darf also annehmen, dass die Liquidationsangelegenheit in erfahrenen und mit der Materie vertrauten Händen ruht.

Geschädigt durch den Forfait Zürichs wurde aber vor allem Urania, das selber vor dem Nachlass steht. Es hätte die – wenn auch noch so knappe – Einnahme aus diesem Retourspiel gebraucht, um selber wieder eine Zürcherreise seiner Mannschaft finanzieren zu können. Nun hat Urania alles getan, um Zürich nach Genf fahren zu lassen. in einer offiziellen Erklärung hat die Clubleitung der Genfer Violetten mitgeteilt:

Gestern Samstagmorgen erhielt der Zentralpräsident Uranias, David Moriaud, einen Telephonanruf des Captains der zürcherischen Mannschaft, Widmer, wonach der F.C. Zürich kein Geld zur Reise nach Genf habe und falls Urania den Betrag nicht vorschiesse, forfait erklären müsse.
Im Verlaufe eines zweiten Gesprächs zwischen Moriaud und Widmer bestätigte dieser seine Aussagen. Um 1 Uhr nachmittags setzte sich Präsident Moriaud mit Hügli, Präsident des F.C. Zürich in Verbindung. Urania war bereit, die Kosten für die Reise und die Mahlzeit in Genf vorzuschiessen, unter der Bedingung, dass diese Summe in möglichst kurzer Zeit zurückbezahlt werde. Dieser Vorschlag wurde angenommen und um 8.50 Uhr abends kam ein Telegramm aus Zürich nach Genf, welches die Dirigenten Uranias verständigte, dass Zürich die Reise in einem Autocar antreten werde. So schien also alles in Ordnung.
Aber wie gross war die Überraschung in Eaux-Vives, als am Sonntagmorgen um 8.20 Uhr ein neues Telegramm eintraf:
«Können nicht spielen,
Abreise verhindert.»
Unverzüglich telefonierte M. Giacobino an Hügli. Dessen Frau war es, die Antwort gab und zwar, dass ihr Mann mit der Zürcher Mannschaft unterwegs nach Genf sei. Man fiel von Erstaunen in Verwunderung. Wird der Match nun gespielt oder nicht? Die Dirigenten Uranias wussten nicht mehr, welchem Heiligen sie opfern sollten.
Aber die Zweifel nahmen rasch ein Ende. Um 11:45 Uhr, also gerade vor der Mittagsstunde, brachte ein Telephon des S.F.A.V. die definitive Mitteilung, Zürich komme nicht.
Sofort unterrichteten die Leiter Uranias den Lokalnachbarn Carouge vom Sachverhalt, damit dieser Club, der Cantonal zum Match empfing, seine Dispositionen treffen könne, um das Publikum, das nach Frontenex gehen wollte, nach Carouge zu bringen.»
 
Trotz unserer Bitte ist uns vom F.C. Zürich keine Erklärung zugestellt wordem, obwohl dieser Verein sicher auf alle Sympathien bei der Oeffentlichkeit rechnen könnte, wenn er offen und frei seine Situation schildern und den ungewöhnlichen Vorgang von seinem Standpunkt aus darstellen würde. Wir müssen uns daher darauf beschränken, die Darstellung Uranias wiederzugeben, die ja im übrigen lediglich Tatsachen aufzählt. Wahrscheinlich wird der Fall ein Nachspiel haben, da der Verband kaum darum herumkommen wird, die Sache zu untersuchen und darüber zu berichten.
 

Sport, 20.4.1934, S. 6

Da ist vor allem mit Genugtuung festzustellen, dass der F.C. Zürich nach einer nicht zu früh gekommenen Intervention des Verbandes und des Nationalligakomitees weiterhin in der Meisterschaft verbleiben wird, eine Mitteilung, die alle Freunde des Clubs und unseres Sports mit aufrichtiger Freude vernehmen werden. Die bezügliche offizielle Mitteilung lautet:

Die Vereinsleitung des F.C. Zürichs hat dem Komitee der Nationalliga die Zusicherung gegeben, dass der F.C. Zürich seinen sportlichen Verpflichtungen bis Ende der Saison auf alle Fälle nachkommen wird. Das Nichtantreten der Mannschaft in Genf ist auf eine Verkettung unglücklicher Umstände zurückzuführen.

 

rmz / 04.10.2021
Quelle(n): Sport, 18.4.1934, S. 6; 20.4.1934, S. 6